galdr

Magic is an experience of being alive in a world that is itself alive…everything moves, it's just that some things move a lot slower […]

David Abrams

Galdr_Stickerei/Installation/Performance

Das Werk galdr entstand für das Ausstellungsprojekt natürlich positioniert. In ihm verbinden sich visuelle Kunst, Gesang und Poesie. Unter der Projektleitung von Hanna Smitmans kamen internationale KünstlerInnen zusammen, um den alten Güterbahnhof in Tübingen mit Kunstwerken, Performances und Workshops zu beleben. Dabei verband uns und unsere Projekte die Auseinandersetzung mit Natur.

galdr stammt aus dem germanischen und bedeutet Zaubergesang oder Zauberspruch. Das Werk entfaltete sich als wachsende Installation und setzte sich dabei u.a. mit der transformativen Kraft von Sprache auseinander. Hierzu erforsche ich schon länger eine sinnlich-poetische Sprache, welche es vermag die westlich-kulturell geprägte Trennung von Körper und Geist / Subjekt und Objekt aufzulösen. Das Gedicht für die Stickerei entstand im bayerischen Wald im Winter 2022, wo ich die Wahrnehmung einer lebendigen Natur künstlerisch erforschte.

Für galdr habe ich zum ersten Mal gestickt. Für mich war es vor allem auch eine Geste der Hingabe und Zuneigung, die buchstäblich in den Raum hineinwuchs. Die Arbeit umfasste auch eine abschließende Performance.  Mit ihr schloss sich der Kreis, indem ich Worte und Inhalt des Gedichts stimmlich bzw. gesanglich zum Leben erweckte.

Meine Materialen waren nachhaltiges italienisches Leinen und nachhaltige Alpaka Wolle. Maße 4m x 1,49m.

Hintergründe und Inspirationen

Die Erkenntnis, dass wir als Menschen Teil der Natur sind, dass sie lebendig ist und wie wichtig es ist, dass wir uns stärker mit ihr zu verbinden lernen begleiten mich und meine künstlerischen Prozesse nun seit einigen Jahren. Meine Projekte fließen organisch ineinander, angetrieben von dem Wunsch, unsere Kultur stärker mit Natur zu vereinen. Dazu erkunde ich Wege, mit ihr in Dialog zu treten. Die Mythologien und überlieferten Traditionen indigener Kulturen, insbesondere die der Germanen und Kelten, bieten mir momentan viel Inspiration durch Einblicke in eine Art zu leben und zu denken, welche die Natur als lebendige und eigenständige Kraft in das menschliche Leben integrierte. Aber wie sieht solch eine Integration in der heutigen Zeit, in meinem eigenen Handeln und innerhalb meiner künstlerischen Prozesse aus? Welche Wesen, Lieder und Geschichten sind heute noch oder wieder im Wald zu finden? Mein Werk galdr ist ein Wegabschnitt eben dieser Suche.

galdr

Wenn der Pfad schmaler wird, verschwindet

ich dir mir schwindend näher komme

du mir näher bist und wir einander ineinander näher sind

bevor du mich umarmst

mich umarmst wie ein Riese, der sich selbst umarmt

ich umarmte dich ich umarme dich ich werde dich umarmen

ich umarme dich zwischen diesen Wörtern

ich umarme dich

bis ich mich in dir aufgelöst, Zeit aufgelöst

ich sinke, leicht, getragen

bis du mich berührst, bewegst, bewegst so sehr ich bleibe

halte im Moment

Anwesend

jedes Wesen anwesend.

Licht und Schatten, feuchte Luft in meiner Nase

feuchte Luft auf meiner Haut

hat sich verabredet

verabredet, um mit der Sonne zu reden, da!

direkt auf meiner Nase

ziehen sie gemeinsam sanft an meinen Mundwinkeln

pflücken mir die Worte von den Lippen, von der Zunge

was ich sagen wollte ist im Wald geblieben

die Worte sind im Wald geblieben

wie ich sie hörte gehörten sie nicht mir

Nicht Allein

Worte von Sonne Worte kleiner Äste

Verästelungen Verwurzelungen

Wurzelungen hinein hinauf hinein durch meine Finger

meine Finger, die vor Worten kribbeln und

sich tastend in die nächste Rinde flüstern

Worte wie das Licht

wie das Licht sich Raum erkriecht

Wärme durch die Wolken bricht 

und tausende Silbertropfen von den Bäumen singen

leuchtende Knospen an den Bäumen klingen

wie schillernde Blütenblätter ins Nebellicht hineingreifen

um selbstverständlich ein paar Sonnenstrahlen heimzuholen

und ich umarme dich wie ein Riese, der sich selbst umarmt

ich umarmte dich ich umarme dich ich werde dich umarmen

ich umarme dich zwischen diesen Wörtern

ich umarme dich

bis ich mich in dir aufgelöst

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KUTI MAGAZINE #69

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